Rene Wimmers
Winterprojekt
Als erstes kam die Frage: Warum? Die kam natürlich von meiner Frau.
Nicht dass man jetzt denkt, Oh je der Arme..... Seine Frau hat kein Verständnis.
Ganz im Gegenteil. Sie macht gerade Ihren Motorradführerschein, weil sie es satt hat hinten drauf zu sitzen.
Die Frage nach dem Warum habe ich mit: Weil ich da Lust drauf habe und ich ein Winterprojekt brauch, beantwortet.
Wie bin ich an die Sache herangegangenen:
Als erstes stelle ich mir die Fragen: Hast du genug Zeit, und genug Ahnung und hast du ausreichend Platz dafür und kannst es so finanzieren, wie du dir es vorstellst.
Finanziell sehe ich das Winterprojekt jetzt erst einmal wie ein Invest. Sollte meiner Frau das fertige Projekt gefallen, wird sie es vielleicht behalten. Da muss ja sowieso irgend wann einmal eine zweite Maschine für meine Frau angeschafft werden.
Platz? Dafür werde ich mein in der Garage stehendes Auto, welches sich auf dem Weg zum Oldtimer befindet, in ein Hostel auslagern. Somit sollte das für den Winter gehen.
Die Zeit muss man sich einfach nehmen. Dafür macht man das ja auch. Und deswegen nenne ich es Winterprojekt.
Die Beantwortung der letzten Frage ist wohl am schwierigsten. Sie beschreibt aber auch genau das Abenteuer, worauf ich soviel Lust habe.
Dann muss mal wohl viel lesen und ausprobieren.
Vorbereitung:
Das richtige Motorrad.
Es sollte eigentlich eine R100 Monolever sein. Damit das finanziell nicht aus dem Ruder gerät, machte ich mir im Vorfeld Gedanken darüber wieviel ich ausgeben wollte. Wenn man nun eine klare Vorstellung hat, wie das fertige Motorrad aussehen soll, kann man auch im Vorfeld schon kalkulieren was man ausgeben muss. Damit meine ich jetzt nicht die Dinge, die sowieso gut sein sollten wie Motor, Fahrwerk, Bremsen, usw. Ich meine sie Dinge, die das Motorrad schick machen. Lenker, Auspuff, Armaturen, Lackierung, Heckumbau, Elektronik, Scheinwerfer, usw.
Das alles zusammenrechnet, ergab mein Design-Invest. Nun brauchte ich nur noch den Basis-Invest – Das Motorrad - dazu addieren und hoffen, dass kein allzu großer Instandsetzungs-Invest für Reparaturen dazu kommt.
Meine Annahmen ergaben einen Maximal-Betrag von 5.000,- Euro für das Motorrad.
Die Suche hat sich über eine länger Zeit hingezogen. Irgendwann will man dann aber einfach nur irgendwas kaufen, damit es jetzt endlich losgeht. Dieser Versuchung muss man widerstehen.
Die Listen der in Betracht kommenden Motorräder wurde immer länger. Endloses vergleichen von Typ, Ausstattung, Preis / Leistung wollte nie enden.
Bei der Wahl des Motorrads war natürlich die Substanz wichtig. Bei der Suche ist mir eine Lektüre von - Gregor „Schorsch Kraus. Ein Unterhachinger BMW-Spezialist,- in die Hände gefallen. Er beschreibt auf mehreren Seiten, worauf man beim Kauf einer R80 / 100 achten sollte.
Herrje, als ich das gelesen hatte, war ich überzeugt ich würde keine finden, die geeignet ist.
Nach den Hinweisen auf verhärteten Tüllrohren, ölende Kupplungsglocke, schwitzende Zylinderfussdichtung, undichte Motorenentlüftung, ausgeschlagenen Drosselklappenwellen oder festgebackene Krümmeranschlüsse, defekte Radaufnahmeverzahnung des Achsantriebs, usw......., war ich mir nicht mehr sicher wie groß mein Instandsetzungs-Budget sein musste.
Dann war es endlich so weit.
Letztlich ist die Wahl auf eine BMW R80 RT mit „Doppelfederbeinen“ gefallen, die allerdings ein Update auf 70 PS, bzw. 970ccm erhalten hat.
Motorrad abgeholt und erst mal Bestandsaufnahme und Bilder gemacht.
Die ersten Bilder des Ursprungszustands findet ihr in der Galerie:
Die Substanz ist sehr gut. Wenig Rost, aber viel Schmutz.
Wie soll sie später aussehen? Was muss getan werden? Ich unterteile in drei Kategorien:
1. Reinigen
2. Instandsetzen
3. Erneuern
Dann geht es weiter an die Projekt-Vorbereitung:
Werkstatt vorbereiten.
Hebebühne, Spezialwerkzeug, anschaffen.
Ordentlichen Arbeitsplatz einrichten. Werkbank, Regale für die ordentliche Katalogisierung der abgebauten Teile. Das auf jeden Fall benötigte Verbrauchsmaterial wie Rostlöser, Lappen, Gleit und Schmiermittel bestellen, was nicht sowieso schon vorhanden war.
Die Garage hatte ich im Sommer schon vorbereitet. Sauber gemacht, ordentlich licht verlegt, und eine Heizmöglichkeit vorbereitet. Ist ja schließlich ein Winterprojekt.
Lektüre anschaffen. Und da hat der unerschöpfliche Fundus des Forums „2-Ventiler,de“ den größten Anteil beigetragen. Ach und übrigens.... die Hilfe die ich von den Forum-Mitgliedern bekommen habe ist unbezahlbar. Wenn ich das alles hätte in die Werkstatt bringen müssen, wäre das Projekt sehr schnell gescheitert.
Hier nun die ersten Schritte des Entkernens:
Alles bis auf dem Motor runter vom Rahmen
Ein wenig Rost hat sie in den letzten 30 Jahren auch abbekommen. Hält sich aber in Grenzen.
Ölkühler lackieren und Ölkühlerschläuche gegen Stahlflex erneuern.
Dabei habe ich die unteren Anschlüsse wiederverwendet. Heißt: Die alten gebogenen Anschlüsse für unten abgeschnitten und neue Schläuche sowie neue Anschlüsse oben an die Anschlüsse unten montiert. Passt perfekt und spart Geld.
Weiter geht’s mit den Bremsleitungen. Die alten Leitungen wurden gegen Stahlflex-Schläuche austauschen.
Dafür habe ich aber schwarze Stahlflex Schläuche genommen. Das sieht man zwar nicht auf dem ersten Blick, aber so sollte es sein. Zuviel Geglitzer und Silber / Chrom wollte ich nicht am Rad haben. Die Bremsscheiben sind noch vollkommen in Ordnung und werden wieder verwendet. Auch die Klötze sind noch fast neu. Sie kommen jetzt erst mal wieder drauf. Zur Not mache ich sie halt neu.
Die Bremszangen wurden aber auch noch lackiert
Elektronik komplett rausgerissen
Danach reinigen. Dampfstrahlgerät und den gesamten Dreck runter.
Kaltreiniger und etliche Lappen helfen den Schmutz der Jahre runter zu bekommen.
Alle kritischen Teile werden getauscht. Alle Lager, alle Flüssigkeiten, Öl, Bremse, Dämpfer, Getriebe, Kardan.
Radlager waren ein Puzzle.
Mussten aber runter wegen dem pulvern.
Wenn man das zum ersten mal macht, dann ist das schon eine Herausforderung. Hatte auch wenig Hilfe.
Zum pulvern gingen auch die Ventildeckel und der Luftfilterkasten.
Die Motorabdeckung Vorne und oben habe ich nicht be-pulvern lassen. Da sollte ein extrem Schwarzmatt-Look her. Das ging nur beim lackieren. Was ich dann selber gemacht habe.
Teile sind vom „pulvern“ zurück und schon wieder eingebaut.
Vorher - Nachher Bilder In der Galerie....
Vergaser runter und reinigen.
Und direkt die Muffen zwischen Vergaser und Zylinder erneuern.
Sowie noch reichlich andere Teile direkt mitbestellt. Alle Bowdenzüge, die Bowdenzugverteiler, Benzinschlauch und Benzinhahn. Diverse Gummiteile wurden auch noch getauscht.
Verkabelung komplett neu sortieren. Das meiste wurde übernommen. Allerdings wurden einige Kabelstränge verlegt.
Unnötige Restkabel wie z.B. Warnblinker-Schalter und Kabel habe ich herausgenommen.
Verkabelungen, die erst vom Scheinwerfer, nach Außerhalb und dann wieder zurückgeführt wurden, habe ich umgelegt.
Sodass nun die gesamte Verkabelung im Scheinwerfer verbleibt. Spart Platz und reduziert die Kabel zwischen unter dem Tank.
Der Tank musste innen neu beschichtet werden. Kein Rost oder sonstige Verunreinigungen. Lediglich die Beschichtung löst sich auf.
Also 2-Komponenten Masse eingefüllt und nach ordentlicher Verteilung über mehrere Tage trocknen lassen. Die Beschichtung ist sehr ordentlich geworden. Zum Glück hatte ich noch einen alten Tankdeckel. Den habe ich benutzt. Nun ist der aber auch nicht mehr zu gebrauchen.
Die Batterie wird unter den Sitz verlegt.
Zum einen für den schöneren Durchblick. Zum anderen für die leichtere Verkabelung des neuen Tachos, sowie der neuen Blinker und der Heckleuchten.
Heck.- Bremslicht und Blinker hinten fallen sehr klein aus. Die Blinker hinten sind auch nur als zusätzlicher Sicherheitsaspekt gedacht zu den Ochsenohren vorne.
Entschieden habe ich mich für Shin Yo 2 SMDs LED Cube-Blinker, sowie einer 3SMDs LED als Heckleuchte, ebenfalls in Cube-Form.
Damit die Blinker funktionieren, muss noch ein lastfreies Relais verbaut werden. Dann ist die Blinkfrequenz auch wieder richtig. Das verbauen der Ochsenohren war extrem viel Arbeit. Da die BMW ein Alulenker hat und somit die Leitfähigkeit fehlt, musste zusätzlich ein weiteres Massekabel in den Lenker eingezogen werden. Alle Kabel müssen den Lenker ja auch wieder verlassen. Dazu ein Loch zwischen den Klemmböcken gebohrt. Groß genug, dass die zwei Kabel der beiden Blinker durchpassen. Zusätzlich habe ich das Kabel des Bremsschalters und das Kabel des Kupplungsschalters durch den Lenker verlegt. Dann wurde das Loch doch etwas klein. Letztlich passte es aber nach ziemlich langen zerren und drücken. Besser hätte ich den Lenker gegen einen neuen Stahllenker getauscht. Zumal die innere Röhre auch zu klein war um die Ochsenohren aufzunehmen. Da musste erst mal ein Bohrer ran um die Röhre zu vergrößern.
Fender vorne und hinten werden verkleinert. Alu-Fender vom Zubehör hinten am verkürzten Heckrahmen befestigt und vorne an den original Haltern montiert.
Fender vorne kann man sicherlich noch etwas eleganter lösen. Werde ich vermutlich auch noch.....
Halter aus dem Zubehör habe ich noch keine richtigen gefunden. Hatte es mit Haltern der R65 probiert. Das sind so ziemlich die längsten die es gibt. Sind aber auch noch zu kurz. Der Reifen schleift am Fender. Somit alles noch einmal runter und weiter kürzen und die Federn härter einstellen. Wollte ich sowieso.
Damit es nun Ton in Ton gut aussieht wurden die Tauchrohre der vorderen Dämpfer ebenfalls in schwarz/matt lackiert.
Der gleiche Farbton wie die Motorabdeckhaube. Dazu mussten die Katzenaugen runter. Da werden die Kittelträger sicherlich meckern. Werde zum nächsten Termin mit den Kollegen dann einfach zwei Klebestreifen mitnehmen und zur Not „temporär“ draufkleben.
Tacho von Acewell. Digital aber Retro
Kabel soweit möglich in den Lenker verlegt.
Alle Halterungen neu, oder be-pulvern lassen. So sieht es wieder wie neu aus. Auch wenn man drauf sitzt.
Ebenso habe ich auf den Choke-Zug am Lenker verzichtet.
Die Steuerung der beiden Bowdenzüge geschieht nun unter dem Sitz. Dabei habe ich nicht die gängige Methode genutzt zwei „Mini“-Bowdenzüge direkt an den beiden Vergasern zu verbauen, sondern habe den Verteiler behalten um somit gleichzeitig mit nur einem Schritt beide Choke-Stellungen an beiden Vergasern machen zu können.
Alles andere wäre für meine Frau nicht gegangen. Sie will ja fahren und nicht noch einen Kurs für „Motoreinstellungen“ machen.
Funktionier ganz gut. Mal sehen wie sich das in der Praxis bewährt. Alternativ kann man auch den Chokehalter einer R75 verbauen. Diese wurden seinerzeit von Magura produziert und wurden am Luftfilterkasten montiert. Sie nehmen beiden Züge auf und schalten sie synchron – und sehen auch noch gut aus.
Neue Stoßdämpfer von YSS. Mal schaue was die taugen. Haben gute Kritiken bekommen. Vor allem das Peis.- Leistungsverhältnis wurde gelobt.
Neuer Schalldämpfer in einer etwas kürzeren Version und die Krümmer mit Hitzeschutzband umwickelt. Die Krümmer sind in einem tadellosen Zustand. Aber das Band sieht eben etwas cooler aus.
Die langen Schalldämpfer haben das Bike etwas aus dem Design geworfen. Wenn es alles etwas weniger sein soll, dann können die Auspuffenden nicht hinter dem Hinterrad herausragen. Die mussten einfach weg.
Jetzt nur noch den Sattel und den Tank.
Der Tank war beim Lackierer und hat ebenfalls das PepperWhite von BMW Mini bekommen. Zusätzlich erhält der Tank ein kleines Tattoo. Ein Airbrush von Marion Sammerl. Bin echt mal gespannt.
Die Sitzschale ging dann zum Sattler. Das war eine echte Herausforderung. Schließlich wird auf den Sozius verzichtet. Und somit gelten besondere Anforderungen an den Sitz.
Hier dann das Ergebnis in der Galerie:
Einen besonderen Dank auch an Till Kohlmey von Krad-Werk. Da dies mein erstes Projekt dieser Art ist, war ich auch Hilfe und Ratschlag angewiesen. Davon habe ich von Till reichlich bekommen.
Sein Online-Shop und seine Erfahrung waren für mich Inspiration und Datenbank zugleich. Gut sortiert der Shop und ein erfahrener Inhaber.
Insgesamt habe ich hunderte von Bildern gemacht, damit ich alles wieder zusammen bekomme. Heute würde es vermutlich ohne gehen. Das ist halt die Erfahrung die man nach dem ersten mal macht.
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Datum: 27.12.2017
Besitzer: Rene Wimmers
Größe: 5 Elemente
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